AGFF-Schermausradar 2024
Cornel J. Stutz, Agroscope Zürich, und Rafael Gago, AGFF Zürich
Das Schermaus-Radar ist ein Instrument, um die Dichte von Mäusepopulationen zu messen. Seit Frühling 2010 werden von Agroscope und der AGFF jährlich die Dichten von Schermauspopulationen an rund 50 Standorten im Deutschschweizer Mittelland und den angrenzenden Hügelgebieten ermittelt. Die Daten der Mäusepopulationsschätzungen im Kanton Jura werden von der Fondation rurale interjurassienne der AGFF zur Verfügung gestellt.
Das Wissen, ob es zurzeit viele oder wenige Mäuse hat und wie sich die Situation weiter entwickeln wird, ist für Landwirte von grossem Nutzen. Das Schermaus-Radar hilft in Kombination mit einer Beurteilung der Lage auf dem eigenen Betrieb beispielsweise, folgende Fragen zu beantworten:
- Wann ungefähr kann mit einem Populationszusammenbruch gerechnet werden?
- Bis wann lohnt es sich, Mäusebekämpfung zu betreiben?
- Wann muss man damit beginnen, Futterreserven anzulegen, um bei einem allfälligen Totalschaden in den Wiesen glimpflich davon zu kommen?
In Gebieten, wo der Anteil an Futter- und/oder Obstbauflächen hoch ist, verhalten sich Mäusepopulationen zyklisch. Es sind zwei klassische Zyklustypen bekannt:
- Kurve mit Peak: Nach einer relativ langen Periode mit minimaler Mäuseaktivität folgt eine starke, aber kurze Massenvermehrung mit einem anschliessenden raschen Zusammenbruch der Population; regelmässige Zyklusdauer von zirka 5 bis 7 Jahren. So ein Verlauf ist in den letzten Jahren im Kanton Jura, im Napfgebiet, im Zürcher Säuliamt und im Hirzelgebiet aufgetreten.
- Glockenkurve: Nach einer kurzen Zeit mit geringer Mäusedichte folgt eine relativ schwache langandauernde Wachstumsphase mit mässigem Maximum und anschliessendem allmählichen Abklingen der Population; unregelmässiger Zyklus. Diesen Verlaufstyp konnten wir in den letzten Jahren im Appenzellerland, im Rickengebiet, in der Linthebene und im Zürcher Oberland feststellen.
In Gebieten mit einem hohen Fruchtfolgeflächen-Anteil ist die Entwicklung der Schermauspopulationen selten sprunghaft. Weil die intensiv bewirtschafteten Naturwiesen (bevorzugtes Habitat der Schermäuse) nur wie Inseln zwischen Ackerflächen, Siedlungsgebieten und Waldstücken vorkommen, können sich Schermauspopulationen in diesen Gebieten kaum «explosionsartig» vergrössern (z.B. die meisten Mittellandstandorte).
Bei einer Mäusezahl von 300 bis 1000 Tieren pro Hektare, aus pflanzenbaulicher Sicht ein Totalschaden, bricht die Population gewöhnlich zusammen, so dass nur noch wenige Individuen auf der Fläche überleben.
Hinweis zur Interpretation des Mäuseradars
Die Populationsgrössen der untersuchten Flächen geben zwar einen Hinweis, können aber nicht vorbehaltlos auf die Mäusedichte der gesamten Region übertragen werden. Der Mäusebefall kann lokal von Parzelle zu Parzelle stark variieren. Hingegen zeigt die Entwicklung der Mäuseradar-Beobachtungsparzellen an, ob die Schermausbestände regional stagnieren, zu- oder abnehmen.
Die auf der Schweizerkarte eingezeichneten grünen und gelben Punkte symbolisieren Standorte, an denen die Mäusepopulationen momentan noch mit einem vernünftigen Aufwand reguliert werden können. Bei den roten, violetten oder sogar schwarzen Punkten, sind die Mäusepopulationen bereits so gross, dass eine grossflächige Regulierung einen unverhältnismässigen Aufwand bedeuten würde. In solchen Gebieten ist es ratsam, den Mäusen nur noch in wertvollen Kulturen (z.B. Obstanlagen, Gemüsegärten oder Blumenfelder) nachzustellen. Bei den violetten und schwarzen Punkten ist mit einem baldigen Zusammenbruch der Populationen zu rechnen.
Aktuelle Erkenntnisse aus den Erhebungen 2024
Noch vor einem Jahr waren die Schermauspopulationen in vielen Regionen auf einem Tiefpunkt angelangt. In den meisten Gebieten verstreichen dann ein, zwei oder drei Jahre, bis die Mäusebestände allmählich wieder mit dem Wachstum beginnen. In gewissen Gegenden beginnt der Populationsaufbau jedoch unmittelbar nach dem Zusammenbruch von Neuem. Dies konnten wir im Frühjahr 2024 beispielsweise in Tänikon TG feststellen. Die Gründe für solch unterschiedliche Dynamiken nach einem Populationszusammenbruch sind bislang nicht bekannt.
Die Entwicklung von Schermauspopulationen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Am gewichtigsten sind die landschaftlichen Aspekte, wie Grösse des zusammenhängenden Graslandgebietes, Anteil an intensiv bewirtschaftetem Wiesland, Dichte von Strukturelementen in der Landschaft (Hecken, Waldstücke, Gewässer, Felsen) oder Präsenz von natürlichen Feinden. Die Wetterentwicklung wie zum Beispiel ein milder oder harter Winter, aber auch ein trockener oder nasser Sommer, hat meist nur wenig Einfluss auf die langfristige Populationsdynamik. Dennoch hat ein milder Winter zur Folge, dass die Schermäuse einige Wochen früher mit ihrer Vermehrungsaktivität beginnen. Dies bestätigte sich, als wir nach dem sehr milden Winter Anfang März 2024 bereits geschlechtsreife Jungmäuse fangen konnten – also zirka einen Monat früher als in anderen Jahren.
In folgenden Regionen sind an den Erhebungsstandorten die Schermaus-Populationen zurückgegangen oder sogar zusammengebrochen: Aargauer-, Solothurner- und Luzerner Mittelland
Kaum eine Veränderung (weder deutliche Zunahme noch deutliche Abnahme der Schermaus-Populationsgrösse) gab es in diesen Regionen:
Auf eher tiefem Niveau: Freiberge (JU), Deutschschweizer Jura (AG, BL und SO), Schaffhausen
Stabil auf eher hohem Niveau: Ostschweizer Voralpen (Ricken und Toggenburg (SG), Appenzell), Thurgauer Seerücken.
Einen Anstieg der Schermauspopulationen verzeichneten wir in der Linthebene (SG, SZ und GL), im Hirzelgebiet/Säuliamt (ZH), Zürcher Mittelland und Oberland, Hinterthurgau, Berner Mittelland und Napfgebiet (BE und LU).
Zu Vegetationsbeginn ist der beste Zeitpunkt, um mäusegeschädigte oder generell lückige Wiesen- und Weidebestände zu verbessern. Dazu gehört als erstes das Abschleppen der Mäusehaufen mit Wiesenegge, Striegel oder Walze. Bei einem erhöhten Anteil von Lücken im Pflanzenbestand (25 – 50 % Lücken) ist zudem eine Übersaat erforderlich. Ist der Pflanzenbestand jedoch zu stark beschädigt (mehr als 50 % Lücken), ist eine Totalsanierung mit Neuansaat angezeigt.
Weitere Informationen und Hinweise siehe auch:
- AGFF-Merkblatt Nr. 5 «Wiesenverbesserung im mittelintensiven und intensiven Futterbau»
- AGFF-Information U6 «Regulieren von Mäusepopulation»
- AGFF-Information U6.1 «Sanierung von Mäuseschäden in Wiesen und Weiden»
- AGFF-Information U5 «Wiesen- und Weidepflege mit Striegel, Wiesenegge und Walze»
- Standorte Aargauer Mittelland 2024 (348 KB)
- Standorte Deutschschweizer Jura 2024 (350 KB)
- Standorte Hirzelgebiet 2024 (346 KB)
- Standorte Kanton Jura 2024 (357 KB)
- Standorte Luzerner Mittelland 2024 (349 KB)
- Standorte Napfgebiet 2024 (351 KB)
- Standorte Ostschweizer Voralpen 2024 (353 KB)
- Standorte Zuercher Mittelland 2024 (348 KB)
- Uebersicht alle Standorte Maerz 2024 (330 KB)
- Uebersicht Erhebung Maerz 2024 (193 KB)